An die Männer

 

Für einmal möchte ich mich ganz der Frage widmen, was Männer tun können, wenn sie in ihrem Arbeitsumfeld Ungleichbehandlung von Frauen, sexistischem Verhalten und Übergriffen begegnen. Selbstsichere Männer, die Sexismus am Arbeitsplatz nicht tolerieren, können nämlich als Vorbilder und Vertreter des immer noch mächtigeren und in der Führung zahlenmässig überlegenen Geschlechts einen sehr grossen Beitrag zu Gleichstellung leisten.

Wir haben Evidenz dafür, dass 77 % der Männer, aber nur 41 % der Frauen glauben, dass sie Gleichstellung unterstützen. Dieser Unterschied stammt nicht daher, dass Frauen selbstsüchtige «Bitches» sind, sondern dass sie etwas anderes unter Unterstützung verstehen als die Männer. Frauen meinen konkretes Handeln und sich für andere Frauen direkt einsetzen, während Männer häufig denken, es gehe hier lediglich um eine noble Haltung.

Der Psychologe W. Brad Johnson und der Soziologe David G. Smith haben in ihrem jüngst erschienen Buch Good Guys Verhalten von modernen und selbstsicheren Männern analysiert und sehr konkrete Handlungsansätze beschrieben. Sie stellen klar, dass es nicht reicht, wenn Männer in Metadiskussionen bekunden, dass sie selbstverständlich gegen sexistisches Verhalten seien und sich davon abgrenzen würden, sondern dass sie auch laut und deutlich einschreiten müssen, wenn sie Zeuge solchen Verhaltens werden.

Was ist denn nun «solches Verhalten»? Hier ein paar Beispiele, die zeigen, dass wir nicht nur über das Poster mit der nackten Frau im Spind sprechen. Gibt es das überhaupt noch?

  • Frauen werden laut aufgefordert, mehr zu lächeln.

  • Frauen werden häufig unterbrochen und ihre Ideen werden in Sitzungen ignoriert, nur damit sie ein Kollege als seine eigenen verkaufen kann.

  • Frauen werden von informellen Treffen ausgeschlossen.

  • Frauen werden bevormundet und gönnerhaft behandelt.

  • Sexistische Witze über Frauen werden in und ausser ihrer Anwesenheit erzählt. Beides ist nicht ok!

  • Frauen werden als zu emotional oder hysterisch beschrieben, wenn sie sich wehren.

  • Frauen werden bei Beförderungen umgangen, auch wenn sie mindestens so gut qualifiziert sind wie ihre männlichen Kollegen.

  • Frauen werden, wenn sie schwanger sind, nicht eingestellt oder ihr Arbeitsvertrag wird nicht verlängert.

  • Frauen werden sexuell belästigt.

Die Liste liesse sich durchaus verlängern, aber ich denke, sie reicht aus, um das Spektrum aufzuzeigen.
Wird ein Mann nun Zeuge solchen Verhaltens, reicht es eben nicht, dies innerlich zu verurteilen, sondern Mann sollte nun Manns genug sein, direkt und offen zu reagieren. Hier ein paar Beispiele für mögliche konkrete Reaktionen:

«Dieses Verhalten ist heute nicht mehr angebracht.»

«Das war nicht witzig.»

«Das hat ja eben schon Susanne vorgeschlagen.»

«Sowas tun wir hier nicht.»

«Sexuelle Belästigung ist strafbar.»

«Tust du das zu Hause auch?»

Auch hier liesse sich die Liste lange fortsetzen. Wichtig ist aber vor allem, dass die jeweilige Aussage ruhig, aber bestimmt rüberkommt. Ein witziger, ironischer Kommentar hilft nicht, sondern gehört wiederum zum selben Spiel. Auch der Spruch «Nicht vor den Damen!», ist nicht nur patronisierend, sondern legitimiert unangebrachtes Verhalten, weil implizit gesagt wird, dass der sexistische Spruch grundsätzlich nicht schlimm, sondern nur in diesem Kontext nicht tolerierbar sei.

Wenn männliche Führungskräfte nun noch weitergehen und gar proaktiv echte Förderung von Frauenkarrieren betreiben möchten, ist es wichtig, dass sie nicht implizit davon ausgehen, Frauen müssten sich der in der Organisation vorherrschenden Kommunikation immer anpassen, sondern auch verstehen, weshalb Frauen sich manchmal «merkwürdig» ausdrücken und verhalten. Sie tun dies, weil sie kommunikativ anders sozialisiert sind und von der Gesellschaft andere Rollenerwartungen an sie gestellt werden als an Männer.

Die Journalistin Joanne Wippermann hat bereits vor einigen Jahren im Wallstreet Journal ein paar Tipps für moderne Führungsmänner zusammengestellt und rät ihnen beispielsweise:

  • Auch wenn sie es sagt: Sie hat nicht «einfach Glück gehabt». Sie hat exzellent gearbeitet. Und sie entschuldigt sich nicht wirklich für eine Kleinigkeit. Für sie ist dies reine Höflichkeit.

  • Sie ist vermutlich mehr als bereit für eine Beförderung oder die Übernahme einer Führungsfunktion, sie weiss es nur nicht oder traut sich nicht, es zu sagen.

  • Sie verdient eine Lohnerhöhung. Sprechen Sie sie darauf an!

  • Fürchte Sie sich nicht vor Tränen.

  • Kinder werden älter.

  • Und falls Sie ihr Mitarbeiter sind: Sie ist Ihre Chefin, nicht Ihre Mutter!

Ich möchte noch hinzufügen, dass Sie als Chef (oder auch als Chefin) mit dafür verantwortlich sind, wenn sich Frauen in Sitzungen kaum äussern. Sie sind doch der Moderator. Sie haben die Frauen eingestellt, damit sie ihr Fachwissen und ihre Ideen zur Verfügung stellen! Fragen Sie sie also aktiv um die Meinung dieser Frauen und stoppen Sie Vielredner, die inhaltlich nichts beitragen.

SO KANN ICH SIE UNTERSTÜTZEN:

Literatur

David G. Smith und W.Brad Johnson: Good Guys. How Men Can Be Better Allies for Women in the Workplace. Harvard Business Review Press 2020.

Joanne Lipman: Women at Work. A Guide for Men. Wall Street Journal 2014.