Diversität an der Spitze? Der Fisch glänzt oder stinkt vom Kopf!

 

Längst ist bekannt, dass Kultur und Sprache in der Führung männlich geprägt sind, dass die Bilder der idealen Führungskraft männlichen Idealvorstellungen entsprechen (Kapitän, Spielertrainer, Anführer etc.) und auch Stellenausschreibungen entsprechend «männlich» getextet sind. «Durchsetzungsfähig», «entscheidungsstark», «unternehmerisch», «verhandlungssicher» sind typische Attribute des gesuchten Leaders. Gemäss neuen Studien (Nadja Fischer von Witty Works) sind es interessanterweise aber nicht nur die Attribute, sondern auch die Anzahl der beschriebenen Herausforderungen, die das Bewerbungsverhalten von Frauen beeinflussen. Sind mehr als vier derer aufgeführt, sinkt das Vertrauen der potenziellen Bewerberinnen, diese bewältigen zu können, und sie treten gar nicht erst in das Verfahren ein. Viele Männer, die kompetitiver sozialisiert wurden, sehen sich durch eine längere Auflistung eher herausgefordert und stellen sich dem Wettbewerb.

Dass die Stellenbezeichnung männlich und weiblich angegeben wird oder, wie oft gesehen, männlich mit nachfolgendem m/w, hilft angesichts des portierten Führungsbildes nicht wirklich. Das zugehörige Bildmaterial verstärkt zudem dieses Stereotyp. Untenstehend zwei Beispiele von Stellenausschreibungen eines Spitals, die gleichzeitig veröffentlicht wurden.
No comment!

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Will es eine Frau nun dennoch wagen, sich auf eine hohe Führungsposition zu bewerben, tut sie gut daran, ihr Motivationsschreiben und ihr CV so zu gestalten und zu texten, dass sie dem erwarteten Stereotyp möglichst nahekommt und dennoch immer noch «weiblich» wirkt. Denn was bei einem Mann kräftig und entschieden wirkt, kommt bei einer Frau schon wieder als zickig und unsympathisch herüber (siehe auch die unten aufgeführte Heidi-Howard-Studie).

Wie steht es denn mit der realen Präsenz von Frauen in Toppositionen in der Schweiz? Hier zum Beispiel der Verwaltungsrat: Get Diversity zählte in den Verwaltungsräten von 7605 Schweizer Firmen mit über 50 Mitarbeitenden die Vornamen der Mitglieder. Die Thomasse führten mit 653 Nennungen, gefolgt von Peter, Daniel, Andreas … und an 66ster Stelle erschien dann Barbara mit 70 Nennungen. Bewerbt euch also, Barbaras! Ihr habt die grössten Chancen.
Die Auswahl sagt natürlich nicht nur etwas über Gender, sondern auch über die Altersklasse und soziokulturelle Herkunft der Mitglieder aus. Es gibt also viel zu tun für Organisationen, die es mit Diversität wirklich ernst meinen!

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Was kann ein Arbeitgeber, dem Diversität an der Spitze wirklich wichtig ist, tun?

  • Sich immer wieder mit den Führungsbildern und Stereotypen in der Organisation befassen

  • Instrumente der Personalselektion und die zugehörigen Prozesse anpassen

  • Keine alters- und geschlechtsspezifischen Algorithmen einsetzen

  • Bewerbungen ohne Foto und ohne Geschlechtsangaben sichten

  • Klare Kriterien zur Selektion festlegen

  • Mit Gruppierungsverfahren von Dossiers arbeiten

Zum letzten Punkt: In einer Studie konnte dieses Jahr nachgewiesen werden, dass dann eine wesentlich diversere Auswahl an Dossiers in die Endrunde gelangt, wenn die Dossiers nach bestimmten Kriterien vorsortiert werden. Diese Gruppierungskriterien können genderspezifisch sein, aber auch Nationalität, Berufsgruppe, Alter oder ein beliebiges Merkmal betreffen. Die selektierenden Personen in der Studie schauten die Dossiers in der vorgegebenen Ordnung Gruppe für Gruppe an und schenkten dadurch nicht-stereotypen Bewerbenden mehr Aufmerksamkeit. Interessanterweise zeigte die Studie auch auf, dass die Auswahl der Profile für die Endrunde in keiner Weise von geringerer Qualität war.

Selektioniert wird aber nicht nur bei der Einstellung, sondern bei jedem Beförderungsschritt. Die Organisation braucht auch hier überprüfbare Kriterien und Transparenz bei der erneuten Auswahl der Aufsteigenden. Auch die Gruppe der an der Auswahl beteiligten Personen sollte bereits divers zusammengesetzt sein. Denn solange hier über althergebrachte und meist männliche Seilschaften gearbeitet wird, bleiben Gleichstellung und Diversität in der Führungslandschaft eine Wunschvorstellung.

Mein nächstes Webinar zu Bewerbungsgesprächen findet am 11. September 2023 statt!

Literatur:
Heidi-Howard-Studie, Columbia Business School

Iris Bohnet: What Works. Gender Equality By Design. Belknap Press 2016

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. btb-Verlag 2020

Artikel Harvard Business Review: Research: A Method for Overcoming Implicit Bias When Considering Job Candidates

Artikel Harvard Business Review:: How Businesses Can Recruit and Develop More Young People of Color

Podcast
Zita Küng: Unbewusste Verzerrungseffekte & welche Rolle Führungskräfte dabei spielen

Website
www.witty.works/

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