Wir brauchen Role Models - Isabelle Gisler, Pflegedirektorin

 

Ich habe Frau Isabelle Gisler vor ein paar Jahren bei der Entwicklung eines Leadershipangebots für Führungsfrauen in der Pflege kennengelernt. Ich habe sie von Anfang an als offene und freundliche, aber gleichzeitig auch als klare und entschiedene Führungsperson wahrgenommen. Isabelle Gisler ist für mich ein sehr wichtiges Role Model, weil sie mit grossem Engagement ihre Berufsgruppe in einem hochkompetitiven und komplexen Umfeld vertritt und ganz klar Teil der Zukunft des Gesundheitswesens ist.

Liebe Frau Gisler. Sie sind seit 2020 die Direktorin Pflege/MTT am Universitätsspital Basel und somit auch Mitglied der Spitalleitung. Was an der Führung gefällt Ihnen?

Mir gefällt sehr gut, dass ich in meiner Führungstätigkeit mit verschiedensten Menschen, in unterschiedlichsten Funktionen zusammenarbeite und die Themen, die mich beschäftigen sehr vielseitig sind.

Das Interessante an meiner Führungsfunktion ist, dass ich aktiv mitwirken kann, damit spannende und erfreuliche aber auch schlicht notwendige Themen weiterverfolgt oder vorangetrieben werden. Themen, die echtes Entwicklungspotential aufweisen, werden aufgenommen und es werden Verbesserungen vorgenommen oder es findet echte Innovation statt. Ich kann also bei vielem auf oberster Ebene aktiv mitgestalten, auch wenn der Handlungsspielraum auf jeder Führungsebene seine Grenzen kennt.

Ausserdem schätze ich es sehr, wenn ich Menschen motivieren kann, ihre Ideen voranzutreiben und umzusetzen und ich merke, wie sie Freude an ihrer Tätigkeit haben.

Ein konkretes Beispiel: Gemeinsam mit dem HR konnte ich die Einführung von zusätzlicher Zeitkompensation bei Nachtarbeit umsetzen. Da die Regenerationsphase nach Nachtarbeit gerade für Mitarbeitende mit einem 100% Pensum sehr kurz ist, erhalten sie durch die zusätzliche Kompensationszeit mehr Erholungszeit. Die Herausforderung war die Finanzierbarkeit für die Mitarbeitenden und die gleichzeitige Schaffung von zusätzlichen Personalressourcen durchzusetzen, damit die Zeit auch effektiv bezogen werden kann.    

Ein zweites Beispiel: Vor ein paar Jahren hat ein junger Mitarbeiter begonnen mit viel Elan in einem Themenbereich zu arbeiten, dem damals in der Pflege keine grosse Bedeutung zugekommen ist. Seine Ideen habe ich aber sehr überzeugend gefunden und konnte ihm die Möglichkeit geben, in einem kleinen Pensum an dem Thema weiterzuarbeiten. Heute ist er arbeitet er als Nursing Data Scientist und ist in dieser Rolle voll etabliert. Er kann mich in meiner Funktion durch seine Expertise, seine Vernetzung und durch seine Umsetzungs- und Innovationskraft massgeblich unterstützen. Es ist toll, wenn es gelingt, ein positives Arbeitsumfeld und geeignete Bedingungen für Innovation und Fortschritt zu schaffen.

Wann brauchen Sie in der Führung besonders viel Mut? Und was hilft Ihnen dabei?

Es braucht für mich immer wieder Mut, vor ein grosses Publikum zu stehen und zu sprechen oder meine Anliegen in einem wichtigen Entscheidungsgremium hartnäckig zu vertreten.

Es hilft mir dabei sehr, wenn ich ein klares Ziel vor Augen habe und den Sinn in meiner Aufgabe erkenne.

Gerade in einem sehr hierarchisch und konservativ geprägten Umfeld ist es sehr herausfordernd, seine Meinung deutlich und klar zu äussern und diese auch hartnäckig zu vertreten. Hilfreich ist für mich dabei, dass ich mir bewusst mache, dass es mir nicht um mein persönliches Interesse geht, sondern, dass ich im Sinn des Unternehmens, der Patientinnen und Patienten oder der Mitarbeitenden handle. …und, dass «frau» den Mund aufmachen muss, wenn sich etwas ändern soll. Auch wenn das bedeutet, dass dadurch andere aus der Komfortzone herausgeholt werden (was Viele nicht unbedingt schätzen).

Was möchten Sie für sich und Ihr Team in den nächsten Jahren erreichen?

Es ist mir ein grosses Anliegen, dass wir für die Pflege und MTT-Berufe, aber auch alle anderen Berufsgruppen, die in der direkten Patientenversorgung tätig sind, ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen oder erhalten können. Bei den aktuellen Herausforderungen zur Finanzierbarkeit der Gesundheitsversorgung und dem zunehmenden Fachkräftemangel ist es besonders wichtig, dass wir die positiven Facetten dieser Berufe erlebbar machen und zeigen können, wie wertvoll der Beitrag dieser Berufsgruppen an der Gesundheitsversorgung ist.

In den letzten Jahren konnten wir die Basis dafür schaffen, dass die Pflege/MTT in der Führungsorganisation des Spitals abgebildet ist. Ich möchte, dass es uns gelingt die Pflege/MTT im Spitalmanagement noch stärker zu verankern, damit gemeinsam mit den Führungspersonen aus den anderen Berufsgruppen eine qualitativ exzellente Versorgung, nachhaltige Prozesse, solide Finanzierungsgrundlagen und eine zukunftsfähige Führungskultur geschaffen werden kann.

Wann Sind Sie in Ihrer Führungsarbeit richtig glücklich?

Wenn ich das Gefühl bekomme, dass ich einen Mehrwert schaffen konnte.

Was macht den Pflegeberuf und eine Karriere innerhalb der Pflege attraktiv?

Die Pflege ist ein äusserst vielseitiger Beruf, der die Qualität der Gesundheitsversorgung massgeblich sichert. Er umspannt den gesamten Lebenszyklus von uns Menschen, kennt unterschiedliche Themenschwerpunkte (von der Akutpflege auf einer Bettenstation oder der Pflege in einem hochtechnischen Setting über die Langzeitpflege bis hin zur Pflege im häuslichen Umfeld, der Pädiatrie, Psychiatrie etc., etc.) und erfordert je nach Rolle und Aufgabengebiet unterschiedliche persönliche Fähigkeiten und Kompetenzen. Er bietet unterschiedlichste Weiterbildungsmöglichkeiten zum Beispiel im Fach, dem Management aber auch der Berufsbildung sowie andere zahlreiche Möglichkeiten der Weiterentwicklung (Casemanagement, Study Nurse, Projektleiter:in etc.)

Ich finde es immer wieder faszinierend, welche Komplexität ein Spitalbetrieb aufweist und wie vielfältig die Führungsthemen dadurch sind. Ein grosser Teil der Führungsaufgaben für das Pflegemanagement ist sicher die direkte Führung von Mitarbeitenden. Führung in der Pflege bedeutet aber auch die Bewirtschaftung von grossen Betriebseinheiten (betriebswirtschaftlich, prozessual, infrastrukturell, interdisziplinär und interprofessionell), die Sicherstellung einer evidenzbasierten, fachlich validen Pflege, die Mitverantwortung für das Qualitätsmanagement, die Förderung der Ausbildung und der Einbezug von berufs- und gesundheitspolitischen Faktoren.


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Sibyl Schädeli